
B-Zellen treiben Neurodegeneration bei MS
Forscher vom Universitätsklinikum Mainz haben entdeckt, dass B-Zellen bei Multipler Sklerose direkt Nervenzellen schädigen. In präklinischen Modellen und humanen Ko-Kulturen führt dies über Lymphotoxin-α zu nekroptotischen Signalwegen, was Depolarisation und Funktionsstillstand auslöst (Science Translational Medicine, doi: 10.1126/scitranslmed.adx2652). Diese neuronale Beeinträchtigung lässt sich durch Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren verhindern, was neue therapeutische Optionen aufzeigt.
Neue Daten zeigen, wie B-Zellen direkt zur Schädigung von Nervenzellen bei Multipler Sklerose (MS) beitragen. Ein internationales Team um Frauke Zipp von der Universitätsklinik Mainz wies erstmals in präklinischen Modellen und humanen Ko-Kulturen nach, dass B-Zellen mit Hilfe des Zytokins Lymphotoxin-α (LTα) nekroptotische Signalwege in Neuronen aktivieren. Dadurch kommt es zu einer unmittelbaren, entzündungsunabhängigen Beeinträchtigung der neuronalen Aktivität. Die durch die B-Zellen induzierte Depolarisation konnten die Wissenschaftler durch Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren stoppen, die die LTα-Freisetzung blockieren.
Die Studie weist erstmals nach, dass B-Zellen neben den entzündlichen Schüben auch neurodegenerative Prozesse anstoßen. LTα wirkt dabei über den Tumornekrosefaktor-Rezeptor 1 und nachgeschaltete RIPK1/3-Kinasen, was einen nekroptotischen Apoptosemechanismus auslöst. Blockierten die Wissenschaftler LTα, TNFR1 oder diese Signalproteine, blieb die Nervenzellfunktion erhalten.
Dass der Befund klinisch relevant ist, zeigen Patientendaten: Der LTα-Spiegel im Liquor korreliert mit erhöhten Neurofilament-Light-Chain-Werten, einem Marker für neuronale Verletzung. Zudem sinkt zirkulierendes LTα nach Anti-CD20-B-Zell-Depletion. Damit ist die Brücke von der Zellkultur zum Menschen geschlagen; B-Zellen regulieren LTα auch in vivo.
Die neuen Erkenntnisse verändern das Verständnis der MS-Pathophysiologie grundlegend. Sie erklären, warum BTKi und B-Zell-depletierende Therapien selbst in Abwesenheit akuter Entzündung das Fortschreiten der Behinderung bremsen. LTα ist somit ein Biomarker beziehungsweise therapeutisches Zielmolekül, das die Lücke zwischen Immunmodulation und Neuroprotektion schließen könnte.
Derzeit arbeiten mehrere Unternehmen an BTK-Inhibitoren. So entwickelt die Merck KGaA Evobrutinib in Phase III-Studien bei MS. Die Sanofi SA integrierte durch die Übernahme von Principia Biopharma die hirngängige BTKi Tolebrutinib Phase III in ihre Pipeline. Einen weiteren Phase III-Kandidaten hat die Schweizer Roche im Portfolio: Fenebrutinib ist ein selektiver BTKi . Auch Remibrutinib vom Konkurrenten Novartis AG ist hochselektiv und wird in zulassungsrelevanten Phase III-Studien getestet.


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